Kostengünstige Lösungen bis zum Minienvironment

Weniger Reinraum ist oft mehr

Mit steigenden Anforderungen von Behörden und Kunden dürften in Zukunft mehr Reinräume installiert werden – auch grössere und teurere. Doch oft bringt der kleinere gegenüber der «Maximal-Lösung» sowohl qualitative als auch ökonomische Vorteile. Und auch die Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik bietet dem Kostenmanagement Luft nach oben.

BASF Chemielaboranten begutachten die Oberflächenstruktur eines Siliziumwafers. Im Reinraumlabor führen die BASF-Experten Anwendungstests in den Bereichen Chemie und Oberflächenbearbeitung von Halbleitern durch. Als einer der Marktführer in Asien und Europa verfügt BASF über ein großes Know-how im Bereitstellen von Prozesschemikalien und Lösungen für die Halbleiterindustrie.

Das ist alles andere als Knauserei. Denn der Reinraumbereich weist hohe Energieeinsparpotenziale auf, insbesondere bei Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik-Anlagen. Grosse Erfolge lassen sich erzielen, wenn in der produktionsfreien Zeit die Be- und Entfeuchtung und der Luftwechsel reduziert werden können.

Häufig sind die Anlagen unter Zeitdruck und dabei nicht optimal in Betrieb genommen worden. Dies lässt sich etwa an viel zu hohen Kanaldrücken in den Zu- und Abluftleitungen erkennen. Teilweise liegen sie bei über 1000 Pascal, obwohl auch 400 Pascal ausreichend wären. Selbst ein gleichzeitiges Be- und Entfeuchten oder gleichzeitiges Heizen und Kühlen kommt häufiger vor, als man glauben mag. Und so manches Problem mit der Temperaturhaltung entfällt schon dann, wenn alle Absaugungseinrichtungen konsequent oberhalb von Wärmequellen angebracht sind.

Mehrere Tausender lassen sich pro Jahr sparen

Beispiele aus der Praxis weisen den richtigen Weg, so etwa bei einem Umluftgerät für die turbulenzarme Verdrängungsströmung (TAV) in einer Salbenherstellung: Durch eine Reduzierung der Strömungsgeschwindigkeit von 0,45 auf 0,20 Meter pro Sekunde während der produktionsfreien Zeit liess sich eine Stromeinsparung von 32 Prozent erreichen. Einmaliger Aufwand für Tests und Qualifizierung: über 11 000 Franken – jährliche Kostenreduktion: mehr als 6000 Franken.

Schutz des Prozesses braucht keine Riesenreinräume

Der beste Gedanke, der in einem Reinraum-Think-Tank entstehen kann, ist aber der folgende: «Wir trennen uns von der Vorstellung, einen Reinraum in Länge mal Höhe mal Breite, um unsere gesamte Produktion zu bauen. Denn ein grosses Volumen ist nicht nur teuer, sondern birgt auch ein hohes Risiko für Querkontaminationen. Lass uns, statt in Rein-Räumen, in Reinraumtechnik denken!»

Das Ergebnis dieses Konzepts besteht in kleineren Reinräumen. Sie schützen gezielt den kritischen Teil des Prozesses. Im Extremfalle benötigt man dann nur ein Minienvironment mit scharfen Reinheitsanforderungen in einer Umgebung mit grösseren Toleranzen.

Betreiber und Reinraumexperten an einen Tisch

Minienvironments wollen natürlich auch gekonnt ausgelegt sein, wie ein Beispiel aus dem Bereich der grünen Energien zeigt. In der Photovoltaik-Produktion werden üblicherweise Kunststofffolien (= Trägermaterial) mit der eigentlichen Funktionsschicht beschichtet. Zum Beispiel werden die funktionalen Substanzen gelöst und das entstandene flüssige Gemisch als ein Bad bereitgestellt. Durch dieses laufen die Folien nun hindurch. Die funktionalen Substanzen vernetzen in kurzer Zeit und bleiben auf dem Trägermaterial haften. Gleichzeitig verdunstet das Lösungsmittel und muss abgesaugt werden, weil es sich um eine sowohl extrem gesundheitsschädliche als auch beim Einatmen äusserst unangenehme Substanz handelt.

Der Betreiber schrieb zunächst ein klassisches Minienvironment aus: Einhausung der Maschine mit Lüfter-Filter-Modulen darauf, vertikaler Luftstrom, Überdruck im Minienvironment. Dabei blieben aber wichtige Punkte zur Gestaltung des Minienvironments zunächst offen und wurden erst im Zuge des weiteren Verfahrens diskutiert:

Durch den ursprünglich geforderten Überdruck im Minienvironment wären die gesundheitsschädigenden Lösungsmittel in die Umgebung transportiert worden und hätten damit eine potentielle Gefahr für das Bedienpersonal entstehen lassen. Hinzu kam die Frage nach dem Explosions- und Brandschutz. Auch wäre der Luftstrom nicht entsprechend der Produktgeometrie geführt worden, so dass die Rückseite der Folie undefinierten Bedingungen ausgesetzt gewesen wäre.

Es hat sich im konkreten Beispiel gelohnt, diese Punkte zwischen Betreiber und externen Reinraumexperten zu diskutieren. Nach klärenden Gesprächen sah das Konzept schliesslich folgendermassen aus: Ein horizontaler Luftstrom entsprechend der Foliengeometrie wird zugeführt. Eine druckgeregelte Strömungsführung gewährleistet, in Kombination mit einer Absaugung, im kritischen Prozessbereich der Folienbeschichtung im Minienvironment einen definierten Druck zur Umgebung von ± 0 (null) Pascal. Mit diesen Eckpunkten hat man das Konzept in die betriebliche Praxis umgesetzt und im Ergebnis einen effektiven Schutz des Prozesses vor unerwünschten Kontaminationen und zugleich den notwendigen Arbeitsschutz realisiert.

In vielen Reinräumen steckt noch Optimierungspotenzial für die Heizungs-, Ventilations- und Lüftungstechnik. Foto: Novartis

Ungewohnt, aber praktisch – und auch zum Mieten

Eine weitere Anleitung zum Umdenken betrifft die Aussenwände eines Reinraums. Sie lassen sich heute auch aus textilen Werkstoffen gestalten. Eine Vision könnte so aussehen: In einer entlegenen Gegend produziert man Impfstoffe in einem mobilen Reinraumen nach GMP. Daneben bläst man einen ISO-8-Reinraum mit Textil-Wänden auf und installiert darin eine Vor-Ort-Produktion von FFP2-Masken und startet in einem ebensolchen Textil-Reinraum der ISO-Klasse 7 die Herstellung tragbarer Herz-Lungen-Maschinen (sogenannte ECMO-Geräte) für Covid-19-Patienten – einfach zum Umschnallen und Mitnehmen.

Textile Reinräume können darüber hinaus in aller Welt Innovation beflügeln. Denn sie lassen sich gut mieten. So kann ein Unternehmen eine Idee ausprobieren, ohne dafür gleich einen stationären Reinraum installieren zu müssen. Damit reduziert sich das Risiko, ihn im Falle eines Projektstopps als Investitionsruine stehen zu lassen, auf null.